Donnerstag, 31. Mai 2018

Außergewöhnliche Geschichten

Regie: Roger Vadim, Louis Malle, Federico Fellini

Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe...

Der 1968 entstandene Episodenfilm "Außergewöhnliche Geschichten" (Originaltitel: Histoires extraordinaires) präsentiert drei gruslige Kurzgeschichten von Edgar Allen Poe und somit kommt hier ein Hauch der britischen Filmproduktionfirma Amicus zum Tragen,  die aufgrund ihrer Episodenhorrorfilme in den 60s und den frühen 70s (Die Todeskarten des Dr. Schrek, Totentanz der Vampire, Asylum) sehr beliebt war. Auch wird sich manch ein Zuschauer an Mario Bavas Episodenfilm "Die drei Gesichter der Furcht" von 1963 erinnern. Drei sehr unterschiedliche Gruselgeschichten, jeweils realisiert von einem sehr populären Regisseur.
Mit Roger Vadims "Metzgenstein" beginnt der Film, der hier recht trashig inszeniert hat und die Ausschweifungen der zügellosen Gräfin Friederike (Jane Fonda) zum Thema hat. Die junge Frau hat im Alter von 22 Jahren das Weingut ihrer Eltern geerbt und lebt ein Leben voller Promiskuität. Als sie im Wald durch eine Tierfalle verletzt ist, hilft ihr der verfeindete Cousin und Nachbar Baron Wilhelm (Peter Fonda). Sie verliebt sich in den Mann, weil dieser all das repräsentiert, was ihr fehlt. Doch der gibt ihr einen Korb. Aus verletztem Stolz lässt sie von ihren Männern dessen Pferdeställe im Brand setzen. Wilhelm wird beim Versuch die Pferde zu retten tödlich verletzt, was seine Feindin aber gar nicht wollte. Ein schwarzes Pferd entkommt und taucht auf ihrer Burg auf - sie zähmt das wilde Tier und bald wird es ihr treuer Begleiter. Dann entdeckt sie, dass ein Wandteppich, der ein solches schwarzes Pferd zeigt, durch Verbrennung beschädigt ist. Besessen davon das Bild wieder herzustellen, beauftragt sie einen Künstler mit der Reparatur.
Die zweite Geschichte heißt William Wilson und wurde von Louis Malle gedreht. Diese Geschichte lebt auch von der guten Kameraarbeit von Tonino delli Colli und zeigt Alain Delon als despotischer und arroganter österreichischer Offizier, der bei einem Priester (Renzo Palmer) dringend die Beichte ablegen will. Verzweifelt erzählt er seine Lebensgeschichte. Bereits als junger Knabe (Marco Stefanelli) im Internat fällt seine Aggression gegenüber den Mitschülern auf, doch als ein neuer Schüler auftaucht, hält sich William mit seinen Schandtaten zurück. Der neue Junge heißt auch William Wilson und tatsächlich wird er diesen William noch ein weiteres Mal treffen. Einmal als er beim Kartenspiel mit der hübschen Kurtisane Giuseppa (Brigitte Bardot) betrügt und das Auftauchen seines "Doppelgängers" führt am Ende auch zum Sturz vom Turn des Palazzo della Ragione.
Die dritte Geschichte spielt im Gegensatz zu den beiden anderen in der Gegenwart und hier kommt Federico Fellini at its best zum Zug. In "Toby Dammit" ist der Teufel ein kleines Mädchen (Marina Yaru), mit dem der bekannte britische Shakespear-Darsteller Toby Dammit (Terence Stamp) konfrontiert wird.  Der Star kommt wegen einem neuen Filmprojekt nach Rom, denn er soll der Hauptdarsteller im ersten "katholischen Western" werden und schon am Flughafen wird sichtbar wie stark Tommy von Drogen und Alkohol gekennzeichnet ist. Am Abend findet eine etwas bizarre Filmverleihung statt und die Produzenten haben Tommy auch noch einen Ferrari als Gage geschenkt, den er nach der Veranstaltung auch bekommt. Er steigt in sein Auto und rast durch die Straßen Roms. Er sollte aber aufpassen, dass er den Kopf nicht verliert. Diese Episode wird von der Musik von Nino Rota begleitet, auch Ray Charles Song "Ruby" kommt zum Einsatz und auch hier war mit Giuseppe Rotunno ein großer Kameramann im Einsatz. 





Alle drei Episoden sind durch ihre Unterschiedlichkeit sehr interessant und wirken trotzdem sehr einheitlich. Persönlich gefällt mir die Fellini Episode am besten, denn sie ist visuell ein Leckerbissen und man trifft auf sehr viele Fellini-esque Eindrücke. Auch das groteske und blutige Ende dieser Episode bleibt im Gedächtnis.






Bewertung: 7,5 von 10 Punkten.

Freitag, 18. Mai 2018

The Killing of a sacred Deer

























Regie: Giorgos Lanthimos

Racheengel...

"The Killing of a sacred deer" (Die Tötung eines heiligen Hirsches) ist nach dem oscarnominierten "Dogtooth", dem wenig beachteten Nachfolger "Alpis" und der sonderbaren Dystopie "The Lobster" der vierte Spielfilm des griechischen Autorenfilmers Giorgos Lanthimos.
Nachdem bereits sein verfasstes Drehbuch für "The Lobster" im Jahr 2015 bei der Vergabe des europäischen Filmpreises gewann, erhielt er gemeinsam mit seinem Kompagnon Efthymis Filippou  für "The Killing of a sacred deer" bei den Filmfestspielen in Cannes ebenfalls die Auszeichnung für das beste Drehbuch.  Den Stoff für den Film entlehnten die beiden Autoren aus der Antike. Nach der Sage hat Agamemnon den geliebten Hirsch von Artemis getötet. Er verlangt von diesem Gerechtigkeit durch ein gleichwertiges Opfer - Agamemnon soll seine geliebte Tochter Iphigenie töten.
Dabei führt der Regisseur den Zuschauer in eine scheinbar heile, fast schon sterile Welt des angesehenen Herzchirurgen Steven Murphy (Colin Farrell). Der lebt scheinbar glücklich mit seiner Frau Anna (Nicole Kidman), einer Augenärztin. Tochter Kim (Raffey Cassidy) steckt mitten in der Pubertät und der kleine Bob (Sunny Suljic) will sich partout seine langen Haare nicht schneiden lassen.
"The Killing of a sacred Deer" beginnt aber mit einem Bild aus dem Operationssaals des Vaters, dort wird ein offenes schlagendes Herz gezeigt. Das Bild wird untermalt von sakralen Klängen aus Johann Sebastian Bachs "Stabat Mater".
Der Chirurg ist mit dem Anästhesisten Matthew (Bill Camp) befreundet, nach der geglückten OP unterhalten sich die beiden Männer auf dem Korridor des Krankenhauses über Uhrenarmbänder. Dabei wirkt Steven sehr kühl, sehr beherrscht - genau wie sein gesamtes Umfeld.
Interessanterweise scheint Steven mit einem Jungen namens Martin (Barry Keoghan) befreundet zu sein, denn die beiden treffen sich öfters am Ufer des Flusses. Steven macht Martin Geschenke, der freut sich darüber und auch über eine Umarmung seines väterlichen Freundes. Irgendwann lädt Steven den Jungen, der seinen Vater verlor, auch zu sich nach Hause ein. Dort macht er Bekanntschaft mit den Kids und Kim verliebt sich in den ruhigen und coolen Jungen.
Dieser Einladung folgt auch prompt Martins Einladung zum Essen bei sich zu Hause. Die Mutter (Alicia Silverstone) scheint auch Gefallen an Steven zu haben. Es sieht so aus als wolle Martin den verheirateten Steven mit seiner Mom verkuppeln. Die Beziehung der beiden ungleichen Freunde fühlt sich mehr und mehr unwohl an.
Kurze Zeit später wacht der kleine Bob auf und kann seine Beine nicht mehr bewegen. Die Eltern vermuten sofort eine psychische Störung, die bald wieder behoben werden kann.
Doch zeitgleich lässt Martin die Katze aus dem Sack: Bei einem Treffen in der Cafeteria verlangt er von Steven, der aus Fahrlässigkeit den Tod seines Vaters anscheinend mitverschuldet hat, ein gleichwertiges Opfer. Steven soll ein Familienmitglied töten, ansonsten würden alle qualvoll sterben, zuerst Lähmung, dann Appettitlosigkeit, dann Blut in den Augen. Am Ende der Tod und tatsächlich sind das die Symptome, die bei Bob auftauchen und für die es medizinisch keine Erklärung gibt. Wenig später sackt auch Kim während einer Probe mit ihrem Schülerchor zusammen und ist unfähig zu gehen....




Ein beklemmender Film, der seine Logik brutal weiterführt und mit dem Jungschauspieler Barry Keoghan ein großes Schauspieler-Talent präsentiert, der sich mühelos an der Seite der beiden Stars Nicole Kidman und Colin Farrell als Zerstörer des familären Glücks restlos überzeugen kann. Dabei wird nie so ganz klar wie Martin es schafft, dass die Kids plötzlich diese Lähmungen aufweisen, die sie am Gehen hindern, geschweige denn das Blut, dass irgendwann am Ende des Films aus den Augen von Bob rinnt. Es muss Parapsychologie sein, die den Jungen befähigt erfolgreich der kalte, mitleidlose Rachegott zu sein. Denn er zieht seinen Plan durch und ordnet auch seine Liebe zu Kim diesem teuflischen Plan unter.  Dabei reicherte Lanthimos seine Geschichte mit reichlich schwarzem Humor an. Der antike Stoff besteht auch den Transport in die heutige Zeit hervorragend, denn es geht um Gleichgewicht - aber auch um Schuld und Verdrängung. Der Zuschauer merkt sehr schnell, noch vor Martins teuflischer Offenbarung, dass Stevens Welt nicht so in Ordnung ist wie sie scheint. Lanthimos Thriller kann man durchaus auch dem Horrorgenre zuordnen, denn der Bösewicht Martin scheint eine Macht zu haben, gegen die sein Gegner - die Familie - einfach machtlos ist und der erst klein beigeben wird, wenn der Chirurg zur Sühne bereit ist. Ob Martin es fertig bringt einen seiner Lieben zu opfern ? Jedenfalls hat Giorgos Lanthimos trotz "Dogtooth" und "The Lobster" sein bisheriges Meisterwerk geschaffen.




Bewertung: 9 von 10 Punkten.

Mittwoch, 2. Mai 2018

Die Stunde des Wolfs

























Regie: Ingmar Bergman

Dämonen...

Filmfreunde werden in Ingmar Bergmans 1968 gedrehten Horrorfilm "Die Stunde des Wolfs" Parallelen zu Roman Polanskis "Der Mieter" finden und auch mit Alain Resnais kryptischen "Letztes Jahr in Marienbad" gibt es Ähnlichkeiten. Genau wie "Der Mieter" wird ein pychisch angeschlagener Mann mit einer Gruppe von anderen Menschen konfrontiert, von denen er glaubt, dass die ihm Böses wollen. Die rätselhaften Schwarz-Weiß Bilder von Sven Nykist, der Kamerachef in "Die Stunde des Wolfs" war, verfängt sich ebenfalls wie Sacha Viernys Bildkompositionen in stimmungsvollen Details. Besonders die Sequenz auf dem Anwesen von Baron von Merkens erinnert an dessen kamerafahrten durch die Räume im barocken Dekor.
Thematisch gehört "Die stunde des Wolfs" neben den etwas später gedrehten "Schande" und "Passion" zu der sogenannten Fårö-Trilogie, die beiden Schauspieler Max von Sydow und Liv Ullmann sind die Gesichter dieses düsteren Films.
Eingerahmt durch den Bericht von Alma (Liv Ullmann) wird der Zuschauer auf die Geschichte eingestimmt. Sie spricht dabei das Publikum an und erzählt von dem sonderbaren Verschwinden ihres Mannes, des Malers Johan Borg (Max von Sydow) und eröffnet so auch einen Rückblick auf die Ereignisse. Alma schildert ihre Erlebnisse und wird dann später auch noch einen Einblick in die Tagebücher ihres Mannes geben. Der besucht gemeinsam mit seiner Frau Alma immer wieder die Ruhe und Abgeschiedenheit auf der kleinen Insel Baltrum. Dort hat er bisher immer die Ruhe gefunden, die er zum malen braucht.
Doch wie ist sein seelischer Zustand ? Alma ist ratlos, denn ihr Mann ist tagsüber alleine auf der Insel unterwegs und am Abend, wenn er nach Hause kommt, erzählt er ihr sonderbare Dinge über Menschen, die er kennengelernt hat. Einen Homosexuellen, der ihm nachstellt - eine alte Frau mit Hut - und der gefährlichste von allen, dem Vogelmenschen. Johan glaubt, dass diese Menschen in Wirklichkeit Dämonen sind und ihm nach dem Leben trachten. Und tatsächlich macht auch Alma eines Tages Bekanntschaft mit dieser alten Frau mit Hut, die ihm anrät, dass sie doch die unter dem Bett versteckten Tagebücher des Mannes lesen soll. Immer mehr dieser ominösen Gestalten nehmen Kontakt mit Johan auf, auch seine frühere Geliebte Veronica Vogler (Ingrid Thulin) erscheint Johan. Ist das Traum ? Ist es Einbildung ? Oder erlebt er es tatsächlich ? Jedenfalls wird er eines Tages von Baron von Merkens (Erland Josephson) eingeladen, der am anderen Ende der Insel auf seinem Schloß lebt. Er soll auch Alma mitbringen. Dort finden sie eine surreale Gesellschaft vor, auch die Frau des Barons (Gertrud Fridh) und dessen Mutter (Gudrun Brost) wirken äusserst seltsam. Nachdem Johan und Alma die Burg verlassen, gesteht sie ihm ihre Angst ihn an Dämonen zu verlieren, aber auch ihren Willen nicht so schnell aufzugeben.
Doch diese Unterstützung für ihren Ehemann ist alles andere als leicht, denn der leidet zunehmend unter Schlaflosigkeit und hofft, dass die Frau mit ihm wach bleiben kann. Er erinnert dabei an die "Stunde des Wolfs" - die Zeit ab 4 Uhr Morgens, wo die meisten Menschen sterben und auch geboren werden. Die Visionen werden auch immer stärker und gewalttätiger - so wird Johan am Strand mit einem Jungen konfrontiert, der ihn versucht zu beißen und zu peinigen. Aus Notwehr tötet er das Kind. Alma ist immer mehr schockiert von Johans Geständnissen.  Dann werden sie erneut ins Schloß eingeladen. Der Bote überbringt diese Einladung persönlich und legt eine Pistole auf den Tisch. Dann gerät das Ehepaar in Streit, ein Schuß fällt...





In einem erläuternden Satz meint Alma "Wenn Paare lange genug zusammen sind, dann werden sie sich immer ähnlicher. Kann es auch sein, dass die Gedankenwelt immer mehr Eins wird ?" - damit spielt sie darauf an, dass sie selbst auch diese Erscheinung der alten Frau hatte. "Die Stunde des Wolfs" ist ein echter Alptraumfilm - ähnlich wie Polanskis "Der Mieter" und wie dieser lässt er auch vieles offen. Der Zuschauer nimmt aber großen Anteil an der Schlaflosigkeit des Künstlers auf dieser einsamen Insel. Die Bilder drücken zusätzlich eine enorme Schwere aus. Jedesmal wenn er auf einer Felsenklippe seine Staffelei auspackt, wird er schon mit diesen dämonischen Gestalten konfrontiert - sie lassen ihn nicht mehr los. Bergman inszenierte in nüchternen Bildern, es herrscht ein gewisser Neo-Realismus vor. Es ist ein Film über die Macht der Suggestion und vieles bleibt vage. Aber die Phantasie wird angeregt, denn die Schloßbewohner haben Ähnlichkeiten mit untoten Nachtgestalten inkl. vampiristischen Gelüsten. In einer Schlüsselszene wird der Künstler dadurch gedemütigt, dass er wie eine Frau geschminkt, von seiner Exgeliebten, die sich dann ebenfalls im Schloß aufhält, verspottet wird. In solchen Szenen hat man das Gefühl, dass es doch die zerstörerischen Kräfte in Johans Inneren sind, die diesen Horror hervorrufen. Aber man darf sich auch da nicht zu sicher sein.






Bewertung: 9 von 10 Punkten.